Form der Materie, Hegels Lösung
Erste Stufe von Natur - Mechanik - Raum, Zeit und Materie
Begreifendes Erkennen der Natur (Falkenburg Kapitel 3-2.1) liegt für Hegel in der Komplementarität des praktischen und technischen Verhaltens zu Natur einerseits und des rein forschenden Verhaltens andereseits. Falkenburg lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass für Hegel Objektivität durch das System der Denkbestimmungen (das System der Begriffe) gesichert ist und nicht durch den Abgleich der Verstandeserkenntnis mit der Erfahrung wie bei Kant.
Idee, Logik, Natur
Einerseits ist die Natur dem Geist äußerlich, andererseits findet der Geist sich in der Natur wieder. Die Betrachtung der Natur beginnt bei Hegel über die Bestimmungen von Raum, Zeit (den Formen) und der Materie.
Was die Naturwissenschaft an Begriffen gebildet hat (Natur ist dem Geist äußerlich), muss im Denken als Denkbestimmung (Geist findet sich in der Natur wieder) auftauchen, die entsprechend den Ergebnissen der Naturwissenschaft konkretisiert oder spezifiziert wird. Dabei spielt das Verhältnis reiner Denkbestimmungen zu kontingentem (zufälligem, möglichem oder zumindest nicht aus reinem Denken logisch abgeleitetem) Verhalten im Freigeben der Natur durch die Idee ein Rolle.
Wie sieht Falkenburg durch Hegel die Kontingenz der Natur behandelt?:
"Die Kontingenz der Natur muß für Hegel also eher eine in Raum und Zeit als diejenige von Raum und Zeit sein" (Seite 149). "Die Einheit, in der das Mannigfaltige der Natur der Idee durch dieses Anschauen gegeben ist, ist die Einheit von Raum und Zeit, der reinen Formen der Äußerlichkeit. ... [die Natur] ist die Idee selbst im Element des raumzeitlichen Außereinanderseins - und nicht: sie ist das für die Idee schlichtweg kontingente Gegenüber, das diese in ihre Bestimmungen aufnimmt, so gut es eben geht" (Falkenburg Kap. 4-1, Seite 150).
Bei bei der Behandlung von Form und Materie werden die in der Logik gefundenen Denkbestimmungen unter Anwendung der Mechanik konkretisieret, anders gesprochen: näher bestimmt:
"Die ersten Begriffe, die Hegel im Mechanik-Teil der Berliner Enzyklopädie entwickelt, sind diejenigen von Raum, Zeit, Ort, Bewegung und Materie. Man kann diese Begriffe ... als Spezifikationen von Denkbestimmungen des ersten Teils der Logik - nämlich derjenigen von Sein, Werden, Dasein, Unendlichkeit, Fürsichsein - ansehen ..." (Seite 185).
Schritte zur Lösung
Den in der Concept Map dargestellten Zusammenhang von Raum, Zeit, Materie (Hegel spricht von deren Identität) fasst Falkenburge in Kap. 5-1.1, Seite 191 knapp zusammen:
- "Die zunächst unterbestimmten Relate räumlicher Beziehungen, die ihrem Begriff nach nicht voneinander unterschieden werden können und eine Bestimmung räumlicher Extension nicht widerspruchsfrei erlauben,
- werden von Hegel mittels des Zeitbegriffs zunächst zu raumzeitlichen Relaten - den Orten -
- und dann zu den materiellen Relaten raumzeitlicher Beziehungen bestimmt, die mittels ihrer Bewegungen unterscheidbar sind."
Der Widerspruch der reinen Quantität - Auseinandersein der Relate bei gleichzeitige Ununterscheidbarkeit (nach Leibniz also deren Identiät) - wird durch den Zusammenhang von Ort und Materie aufgehoben - so das Ziel der Lösungsschritte.
Doch zunächst: Sowohl Raum und Zeit haben ihren Ausgangspunkt in dem logischen Begriff der "reinen" Quantität, wenn sie erste Bestimmungen der Natur sein sollen.
Natur
§ 247 (Begriff der Natur aus Enzklopädie Teil 2, Naturphilosophie)
"Die Natur hat sich als die Idee in der Form des Andersseins ergeben. Da die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äußerlich ist, so ist die Natur nicht äußerlich nur relativ gegen diese Idee (und gegen die subjektive Existenz derselben, den Geist), sondern die Äußerlichkeit macht die Bestimmung aus, in welcher sie als Natur ist.
Raum
Nimmt man den Raum (als Begriff, nicht als Behälter) als erstes Exemplar oder erste Instanz von Natur, so vererbt der Begriff Natur die Bestimmung Äußerlichkeit auf Raum. Raum ist Nebeneinander (Auseinander-Sein, Verwirklichung von Repulsion, diskret) von Relaten, ohne dass bestimmt ist, wie das Auseiandersein festgestellt werden kann. Insofern ist er auch kontinuierlich, weil das, was auseinander ist, nicht bestimmt (auf diesem Abstraktionsniveau) werden kann.
§ 254 (Der Raum, aus Enzklopädie Teil 2, Naturphilosophie)
"Die erste oder unmittelbare Bestimmung der Natur ist die abstrakte Allgemeinheit ihres Außersichseins, – dessen vermittlungslose Gleichgültigkeit, der Raum. Er ist das ganz ideelle Nebeneinander, weil er das Außersichsein ist, und schlechthin kontinuierlich, weil dies Außereinander noch ganz. abstrakt ist und keinen bestimmten Unterschied in sich hat."
Der Raum ist soweit mit Elementen der Kategorien aus der Seins-Logik, den den Reflexionsbestimmungen der Wesens-Logik sowie dem Begriff der Natur bestimmt. Der Raum ist selbst nicht reales Sein, aber er ist Instanz der logischen Denkbestimmung Sein. Als zusätzlich reine Äußerlichkeit, ideeles Nebeneinander, Außereinander ohne Unterschied in sich, ist er "Außer Sich Sein". Sein wird durch Werden aufgehoben (negiert), das durch Werden aufgehobene Sein ist das Dasein. Das wird immer wieder durch anderes Dasein ersetzt (verändert). Der Raum als erste natürliche, rein quantitative Instanz (gemeint ist logische Instanz) des Sein beziehungsweise Daseins ist nicht stabil sondern flüchtig. Der Raum als Instanz (erste Bestimmung) des Da-Seins verändert sich - oder die Relationen zwischen den ganz unbestimmten Relaten im Raum verändern sich.
Hinweis: Man kann gar nicht anders als sich diskrete Relate als zum Beispiel Kreise auf Papier oder das Kontinuum als graue weit ausgedehnte Flächen vorzustellen. Dann sind sie aber als Bleistiftlinien aus Graphit auf Blättern aus Papier bestimmt und nicht mehr abstrakt, wie der Raum als Instanz der reinen Denkbestimmung Sein.
Zeit
Als erste natürliche, rein quantititative Instanz des Werdens nimmt Hegel die Zeit, was plausibel ist. Als Daseins-Zustand "Gegenwart" gibt es den Raum mit seinem ideellen Nebeneinander. Die Zeit ist im Raum aufgehoben, der Raum ist die Negation der Zeit. Die Gegenwart hebt sich als Vergangenheit und in die Zukunft auf. Ihr Raum verändert sich, der Raum wird in der Zeit aufgehoben, der Raum wird durch die Zeit negiert.
§ 258 (Enzyklopädie Teil 2, Die Zeit)
Die Zeit, als die negative Einheit des Außersichseins, ist gleichfalls ein schlechthin Abstraktes, Ideelles. – Sie ist das Sein, das, indem es ist, nicht ist, und indem es nicht ist, ist, das angeschaute Werden, d.i. daß die zwar schlechthin momentanen, d.i. unmittelbar sich aufhebenden Unterschiede als äußerliche, d.i. jedoch sich selbst äußerliche, bestimmt sind.
... Die Zeit ist ... der einfache Begriff noch in seiner gänzlichen Äußerlichkeit und Abstraktion, – als das angeschaute bloße Werden, das reine Insichsein als schlechthin ein Außersichkommen.
Die Zeit ist ebenso kontinuierlich wie der Raum, denn sie ist die abstrakt sich auf sich beziehende Negativität, und in dieser Abstraktion ist noch kein reeller Unterschied."
Wie der Raum ist die Zeit ganz abstrakt. Zeit kennt kein Nebeneinander, anders als der Raum kennt sie keine Beziehung des Nebeneinader, sie bezieht isch auf sich selbst.
Ort
Raum und Zeit gehen ineinander über, definieren sich gegenseitig oder erzeugen sich gegenseitig. Die Einheit von Raum und Zeit nennt Hegel Ort.
Bewegung
Bewegung ist Instanz von Veränderung. In dem wechselseitigen Vergehehn und Entstehen von Raum und Zeit ändert sich der Ort (die Raum-Zeit). Der Prozess in die neuen Relationen der Orte ist die Bewegung.
§ 261 (Enzklopädie Teil 2, Naturphilosophie)
"Der Ort, so die gesetzte Identität des Raumes und der Zeit, ist zunächst ebenso der gesetzte Widerspruch, welcher der Raum und die Zeit, jedes an ihm selbst, ist. Der Ort ist die räumliche, somit gleichgültige Einzelheit und ist dies nur als räumliches Jetzt, als Zeit, so daß der Ort unmittelbar gleichgültig gegen sich als diesen, sich äußerlich, die Negation seiner und ein anderer Ort ist. Dies Vergehen und Sichwiedererzeugen des Raums in Zeit und der Zeit in Raum, daß die Zeit sich räumlich als Ort, aber diese gleichgültige Räumlichkeit ebenso unmittelbar zeitlich gesetzt wird, ist die Bewegung. ... "
Materie
Bewegung ist Bewegung von etwas Realem. Dieses sich bewegende Etwas ist plausiblerweise die Materie.
§ 261 (Enzklopädie Teil 2, Naturphilosophie)
"... – Dies Werden ist aber selbst ebensosehr das in sich Zusammenfallen seines Widerspruchs, die unmittelbar identische daseiende Einheit beider, die Materie."
Auf dieser Stufe der Abstraktion sind die raum-zeitlichen Relate materiell. Ihre Beziehungen (Nebeneinander und in sich selbst) sind nicht bestimmter, als dass sie durch Materie zustande kommen. Umgekehrt ist postuliert (gesetzt?), dass die Bewegung die Materie irgendwie bestimmt. Mit Materie taucht etwas auf, was die Philosophie Bestimmbares nennt. Wir stellen uns sogleich undurchdringbare Kugeln, Flüssigkeiten, Teilchen vor. Das ist alles nicht vorhanden auf diesem Abstraktionsniveau. Materie liefert uns einen Begriff für das Etwas der Bewegung, des Bewegseins und (vielleicht) des durch Bewegung entstehenden. Dafür schreiben wir der Materie ein Fürsichsein zu. Bisher konnten wir den Relaten nur die Relationen Außersichsein und Aufsichselbstbezogenein zuschreiben.
Die nähere Bestimmung des Fürsichseins erfolgt durch die Physik, nicht durch reines Denken - Logik. Hegel sagt in § 244 der Enzyklopädie "...die anschauende Idee [ist] Natur".
Zwischenstand
Mit Materie ist jetzt eine Quantität gefunden, die ermöglicht, das Etwas der Bewegung mit seinen Außenbeziehungen und Selbsbeziehungen als Raum und Zeit zu bestimmen. Umgekehrt bestimmt sich Materie durch Bewegung. Soweit die Anwendung reinen Denkbestimmungen Sein, Werden, Dasein, Veränderung, Quantität auf Relation auf Raum, Zeit sowie Materie. Ergänztr wurde die Bestimmngen der Seins-Logik durch die Kategorie der Relation sowie der Reflexionsbestimmung inn und außen, angewandt auf die die Natur als das äußere der Idee.
Bis zu diesem Grad der Abstraktion sollte das Hegelsche Begriffssystem mit der moderen Physik kompatibel sein, damit es seinem Anspruch, objektiv im Sinne reiner Denkbestimmungen zu sein, genügt.
Gelingt noch nähere Bestimmung, dann dann sind die Relationen zwischen Relaten durch irgendetwas bestimmt. Sie sind unterscheidbar und damit hebt sich der Widerspruch der reinen Quantität auf.
Durch Assozieren der Reflexionsbestimmungen von
- Repulsion und Attraktion
- Teil und Ganzes
- Undurchdringbarkeit und Ineinaderfließen
führt Hegel das Programm exemplarisch an der klassischen Mechnik durch:
Trägheit und Schwere wie Undurchdringbarkeit der Materie machen die Bewegung harter Körper in der Mechanik aus. Die Bewegung dieser Körper auf je eigenen Trajektorien macht sie unterscheidbar. Zusätzlich taucht eine Idee der Identität von Trägheit und Schwere auf.