1871 und ein national konservativer Weg zum Rektor im Dritten Deutschen Reich
Walter Platzhoff war von 1934 bis 1944 Rektor der Goethe Universität. 10 Jahre lang. Als ernstzunehmender Gelehrter (nach Notker Hammerstein) und Professor für Mittlere und Neue Deutsche Geschichte hat er sich in der Weimarer Zeit auf einen Weg begeben, der ihn 1933 zum Bewunderer und Verfechter des Dritten Deutschen Reiches machte. Dem vornehmen konservativen Professor Platzhoff ist Anfang der 1930er Jahre alles Schnuppe, die Überfälle der SA Anfang der 1930er Jahre wie die Meuchelmorde (1934) an SA-Führer Röhm und dem rechtskonservativen General Schleicher, die Entlassung seiner konservativen Kollegen (1933), weil sie Juden sind; wenn nur das Parlament durch das Führerprinzip ersetzt, Marxismus und Liberalismus mit dem artfremden Judentum geistig und politisch vernichtet sind. Ein Volk, ein Führer für die Vorrangstellung Deutschlands in der Welt.
Nachdem Walter Platzhoff ab 1923 als o.ö. Professor in Frankfurt zu lehren begonnen hatte, suchte er seinen ersten halböffentlichen Auftritt als Redner auf der (wie er sagt bescheidenen) akademischen Feier zum Reichsgründungstag 1925 in den Räumen der Universität. Einen solchen Auftritt organisierte er sich erneut 9 Jahre später am 18.Januar 1934, fast ein Jahr nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg. Jetzt in der Oper von Frankfurt.
Die Summe seiner vermeintlich wissenschaftlich gestützen politischen Überzeugungen zieht er dann in der Rede zum Amtsantritt als Rektor im November 1934:
"Er [Hitler] hat die von ihm selbst konzipierten neuen Ideen des Nationalsozialismus mit den besten Traditionen preußisch-deutscher Geschichte verknüpft. Erst er hat, was ein Bismarck zu seiner Zeit noch nicht vermochte, Volk und Staat innerlich unlöslich miteinander verschmolzen."
Der Weg hin zu diesem Bekenntnis und dieser Handlungsgrundlage kann den Veröffentlichungen Platzhoffs seit seiner Zeit als Schüler Bezolds und dann heimlicher Anwärter auf die Nachfolge Küntzels verfolgt werden. Fünf davon werden werden digital zur Verfügung gestellt.
1915: Die Reichsgründung 1871 als Demütigung Frankreichs
Was auch immer das französische Volk ist, in seinem Charakter liegt das Streben nach einem starken Nationalstaat. Und, jedes Volk hat den natürlichen Drang nach Expansion. Diese These vom anfänglichen Expansionsdrang jeden Volkes und des anhaltenden, fast 10 Jahrhunderte sich hinziehenden, über alle Regierungsformen andauernden Expansionsdranges des französischen Volkes nach Osten ist ein stabiler Anker in Platzhoffs Geschichtsbild, was auch spätere Veröffentlichungen bestätigen. Die Verallgmeinerung, das jedes Volks auf Expansion dringt, ist wie ein Leitmotiv bei Platzhoff. Diese guten, bewundernswerten Eigenschaften schlummern auch im deutschen Volk, waren lange verschüttet und zeigten sich allenfalls sporadisch.
Dass das Zweite Deutsche Kaiserreich im Zentrum der Macht Frankreichs ausgerufen wurde, hat nach Platzhoff die Franzosen schwer gedemütigt. Zudem stachelt der Gebietsverlust westlich des Rheins ihre Revanchegelüste an. Schon vor 1870 haben sie„Rache für Sadowa" geschworen. Der Sieg Preußens über Österreich bei Königgrätz (Sadowa) hat mit die neue Macht Preußen etabliert und so die französiche Macht geschwächt.
Die Gründe des Ersten Weltkrieges lägen auf französischer Seite in seinen Revanchegelüsten, weniger in wirtschaftlichen Interessen. Platzhoff geht 1915 wohl von einem deutschen Sieg aus. Er plädiert für einen Frieden in der Völkergemeinschaft, der die Koexistenz mit Frankreich ermöglicht.
1925: Bismarck der außenpolitische Zauberer
Platzhoff blickt auf Frankreich wie es sich im Inneren entwickelt hat. Er misst diese Entwicklung immer an Frankreichs Stärke im Mächtekonzert Europas. Mit Napoleon III war Frankreichs nur noch verbal stark. In Bismarck fand es nach Platzhoff seinen Meister.
Zum Reichsgründungstag, dem 18.1.1925 erhält Platzhoff vom wem auch immer den Auftrag, eine Rede zu halten. Innenpolitisch kanzelt Platzhof kurz die parlamentarischen Schwärmerein der Nationalversammlung in der Paulskirch ab. Sein außenpolitisch geprägtes Thema ist „Bismarcks Reichsgründung und die europäischen Mächte“. Platzhoff stimmt Lobgesänge auf Bismarck an, wie er für die Bildung des zweiten Deutschen Reiches eine seine Kriege ermöglichende Diplomatie gegenüber den europäischen Mächten entwickelte. Bismarck hält andere Regierungen hin, gewinnt erst den Krieg 1870 und macht dann in Verhandlungen Konzessionen, um die Kriegsergebnisse nicht zu gefährden. Feinsinnig dient sich Platzhoff dem Publikum an. Endlich rede ein Wissenschaftler, Historiker zur Außenpolitik Bismarcks. Den damaligen Außenminister Stresemann nennt er nicht, aber jeder Satz bezieht sich auf Stresemanns Politik der Verhandlungen mit den Vertragspartner von Versailles (den Siegern) mit dem Ziel der Rückkehr Deutschlands in die Völkergemeinschaft. Platzhoff beginnt die Rede mit einem Heldengedenken. Er beendet sie damit, dass das deutsche Volk allein sei und nur auf sich gestellt in großer Einheit den Kampf um die Wiederherstellung seiner Würde und seiner ihm gebührenden Stellung in der Welt führen müsse. Keine Gespräche und Konzessionen an die Sieger des ersten Weltkrieges bevor nicht die Vorkriegsstärke Deutschlands wiederhergestellt ist, das ist die Botschaft.
1925: Rede in der Universität zum Reichsgründungstag (18.Januar)
1927: Bismarck gezwungenermaßen Realist
Im 1927 veröffentlichten Artikel „Zum Frankfurter Frieden“ (Mai 1871, 4 Monate nach der Reichsgründung in Versailles) geht es, wie sollte es anders sein, um die Gebietsverhandlungen mit Frankreich mit Belfort und Diedenhofen/ Thionville im Zentrum. Verhandelt wurde im Frankfurter Hotel zum Schwan. Platzhoff verteidigt hier Bismarck, der nicht das ganze Elsass-Lothringen herausgehandelt hatte. Platzhoff rahmt die länglichen Ausführungen beginnend mit „Im Kampf um den Rhein, dessen tausendjährigen Verlauf Aloys Schulte [ein Schüler Bezolds wie Platzhoff] noch während des Weltkrieges als erster deutscher Historiker gezeichnet hat, wird der Frankfurter Friede immerdar einen Einschnitt bedeuten.“ Und er endet mit „Es hat den Ansturm fast der ganzen Welt bedurft, um ihn [den Frankfurter Frieden] umzustoßen, und die in den Siegen von 1870 errungene deutsche Einheit ist dadurch nur noch fester geworden.“
1934: Hitler hat vollendet, was Bismarck wollte aber noch nicht vermochte
Am 18. Januar 1934 legt Platzhoff alle„Beklommenheit" ab, mit der er und weitere akademische Institutionen nach der Niederlage des„Zweiten Deutschen Kaiserreiches" diesen„leuchtenden Höhepunkt deutscher Geschichte"„mit bangem Herzen" gewürdigt haben.„... nach der Revolution von 1933 ... veranstalten wir [die Feier] in diesem großen Hause [der Oper] ... um dadurch ... die Verflochtenheit der deutschen Hochschulen in die Volksgemeinschaft ... zum Ausdruck zu bringen."
Mit seiner Rede zum Reichsgründungstag am 18.1.1934 beginnt Platzhoff sein Geschichtsbild als politisch Aussage zu formulieren. Die Postulate, wie Deutschland in sich und in der Welt zu sein habe, werden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten deutlich ausgesprochen. Innenpolitisch wünscht Platzhoff sich ein „innerlich[er] genesen[es] und wahrhaft geeint[es]“ Deutschland. Er endet mit dem außenpolitischen Appell, Deutschland „[möge] den Platz wieder einnehmen, der dem deutschen Volk nach seinen Leistungen zukommt“. Man staunt, es soll geschehen „… im Rat der Völker in friedlichem Zusammenwirken mit den anderen …“. Inzwischen hat die „nationalsozialistische“ Revolution stattgefunden. Eine Politik der Stärke unter dem Führer zeichnet sich ab. „Wie jede Revolution, so bedeutet auch diese den Bruch mit der jüngsten Vergangenheit. Sie brachte eine radikale Ablehnung und Beseitigung des Weimarer Systems.“ Das Schicksal „… schenkte uns … den politischen Führer … Am Anfang stand die Vernichtung des Marxismus, die Vernichtung der Parteien und des Parlamentarismus“. Platzhoff stellt Adolf Hitler Otto von Bismarck zur Seite. Wegen der Laschheit Wilhelms I habe Bismarck den Kampf gegen Marxismus und Parlamentarismus nicht zu Ende führen können. Hitler bekenne sich wie Bismarck zum Führerprinzip und er habe den Partikularismus mit seinen unheilvollen Auswirkungen während der letzten 10 Jahren beseitigt und so Bismarcks Werk vollendet.
1934: Hindenburg und Hitler: Preussische Vergangenheit trifft Zukunft im zwangsvereinten Volk
Die Rede zur Rektoratsübernahme vom 14. November 1934 wird in Teilen zu einer Heldenverehrung und Liebeserklärung an den im August gestorbenen Hindenburg, dem Helden aus dem Zweiten Deutschen Kaiserreich. Dann stimmt Platzhoff ein Loblied auf die Einheit von (preußisch geprägtem) Staat und (nationalsozialistisch geformtem) Volk an.
„Die Auffassung, dass das Leben des einzelnen ein Dienst an der Gesamtheit ist, finden wir schon bei den großen preußischen Königen des 18.Jahrhunderts. Sie hat uns auch der Mann vorgelebt, dessen Andenken diese Stunde vornehmlich gewidmet ist: der verstorbene Reichspräsident Generalfeldmarschall Paul v o n H i n d e n b u r g.“
„Ein gütiges Geschick hat es dem alten Herrn beschert, dass er selbst den deutschen Aufbruch von 1933 noch erleben und mit heraufführen durfte. Der Führer selbst hat in seiner Gedenkrede öffentlich bekannt, dass sich der Reichspräsident von Hindenburg sein größtes geschichtliches Verdienst erworben hat durch die in seinem Namen geschlossene Versöhnung der besten deutschen Vergangenheit mit einer heißerstrebten besseren deutschen Zukunft. Im Schlusswort seiner Lebenserinnerungen hat er [Hindenburg] seiner Grundüberzeugung mit den Worten Ausdruck verliehen: ‚Der alte deutsche Geist wird sich wieder durchsetzen, wenn auch erst nach den schwersten Lästerungen in dem Glutofen von Leiden und Leidenschaften … Ich habe das Heldenringen meines Vaterlandes gesehen und glaube nie und nimmermehr, daß es sein Todesringen gewesen ist.‘“
"Wir dürfen es heute ohne Übertreibung feststellen, dass sich nach einer traurigen Periode des Verfalls auf allen Gebieten, des Pazifismus und des marxistischen Klassenkampfes der alte deutsche Geist wieder durchgesetzt hat. Wir alle wissen, wem wir das in erster Linie zu verdanken haben: dem Frontsoldaten und Kämpfer Adolf dem der Generalfeldmarschall am 30. Januar 1933 die Hand zu einem Treubunde reichte und die Regierung des Deutschen Reiches anvertraute. Es ist und bleibt eine einzigartige Leistung, wie er, zunächst ganz auf sich selbst gestellt und dann von kleinem Kreise ausgehend, in wenigen Jahren das ganze deutsche Volk innerlich aufwühlte, es für seine Ideen und sein Programm gewann und durch die Wucht seiner Persönlichkeit in seine Gefolgschaft zwang."